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Riesenschnauzer hat gebissen.
05.10.2013, 20:55 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 05.10.2013 21:17 von tommy30.)
Beitrag #6
RE: Riesenschnauzer hat gebissen.
Hallo Wiebke aus dem Odenwald,

Eigentlich hast Du den Nagel ja schon auf den Kopf getroffen: Hundearbeit erfordert Einfühlungsvermögen aber auch Autorität. Beides kann man - bis zu einem gewissen Grade - lernen. Deine Fragen sind überhaupt nicht lächerlich - im Gegenteil.

Interessant die Beobachtung mit dem Maulkorb: Wenn Yiko ihn trägt, ist er ruhiger. Die Entscheidung: Beißen oder Nichtbeißen ist ihm blockiert worden; der Hund findet alternatives Verhalten - in diesem Fall, erst mal zurückstecken. Das "neu"gefundene Verhalten stößt wahrscheinlich bei Euch auf Zustimmung, und das spürt der Hund. Ihr seid weniger verkrampft im Umgang mit ihm, und auch das gibt dem Hund Sicherheit. Menschliche Mißbilligung, Unzufriedenheit, Unsicherheit, Stress usw. spürt der Hund (wie Kinder auch). Der weiß was Ihr fühlt, bevor Ihr es wirklich selbst erkennt. Anlügen kann man einen Hund nicht. Der Hund erkennt ganz genau, ob ein "So ist's brav" in Wirklichkeit meint: 'Sei brav! Blamier mich nicht,' oder ob es ein Lob ist, das von Herzen kommt.

— Im Übrigen neigen Hunde, genau wie Kinder, dazu, bei Neuem erst mal vorsichtig zu sein. Hunde und Kinder benehmen sich meistens besser bei andern Leuten. Erst mal - bis die Neuigkeit abgenutzt ist. Ein Phänomen, das man auch bei adoptierten Hunden sieht. Obwohl diese oft ziemliche Verhaltensprobleme haben, benehmen sie sich im neuen Zuhause erst mal ganz brav und lieb — das sogenannte "Engelsyndrom." Nach ein paar Wochen kommt aber dann immer der "richtige" Hund zum Vorschein, mit allen vorherigen Macken. —

Im Grunde sind ja fast alle Hunde Feiglinge, wenn sie auf sich gestellt sind (von den relativ seltenen Alphatieren mal abgesehen, und die will kein normaler Mensch als Begleithund). Sie wollen geführt werden und überlassen die Entscheidungen lieber dem Rudelführer. UND sie wollen beschützt werden. Müssen sie ihre eigenen Entscheidungen treffen, weil ein Autoritätsvakuum entstanden ist, geht das meistens in die Hose, weil die meisten Hunde eben nicht Lassie sind und für uns sehr unangemessene Entscheidungen treffen.

Z. B. daß Yiko einen andern Hund bedroht - bedrohen muß, weil er Angst hat und nicht darauf vertraut, daß Du die Situation im Griff hast - nämlich ihn beschützen wirst - ist eine große seelische Belastung für den Hund. Und eine Situation, in der es nur Verlierer gibt, wird geschaffen. Hat Yiko Erfolg, den andern Hund einzuschüchtern, wird er das Verhalten mit noch mehr Gusto wiederholen. Besiegt der andere Hund ihn, wird er sich das nächste mal noch mehr wehren, nach dem Motto: Ein guter Angriff ist die beste Verteidigung - vielleicht sogar mit Erfolg. Ein Teufelskreis. Eine Art Bravado entsteht, die als Ursache Angst (mit ein bißchen Dominanz) hat. Solche Hunde werden gefährlich.

Eigentlich sollte das Bild so aussehen: Ein fremder Hund nähert sich, Dein Hund ist hinter Dir - Sitz oder Platz - und hält erst mal die Klappe, weil Du das so willst. DU schickst den andern Hund weg. Dein Hund hat nun keine Ursache, sich selbst zu beschützen. Und Hundchen ist schwer beeindruckt von Deiner Führernatur. Natürlich habt Ihr da noch etwas aufzuholen ... DU entscheidest, ob die Hunde spielen dürfen oder sich aus dem Weg gehen müssen.

Ja, die Leckerle -Trainer. Wenn es nur darum ginge, einen Hund so zu bestechen, daß er für Leckerle zuverlässig in jeder Situation Sitz und Platz macht und immer abrufbar ist, dann hätte niemand ein Problem. Die Realität ist aber, daß es viele Reize für den Hund gibt, die Leckerle nicht überbieten können. Es ist auch durchaus in Ordnung und sogar wünschenswert, wenn simple Übungen wie Platz und Sitz erst mal mit Leckerle gelehrt werden. Das Einfordern des Gelernten steht aber auf einem ganz andern Blatt.

Und der Hund muß lernen, daß er Euch braucht. Nix mehr für umsonst. Ich würde Yiko einige Zeit nur noch aus der Hand füttern. Erst mal Stück für Stück - muß ja nicht gleich eine volle Mahlzeit auf einmal sein. Nach ein paar Wochen kannst Du die Schüssel halten. Kommt er nicht, frißt er nicht. Da kann dann ruhig mal auf Sparflamme gekocht werden. Freiwillig verhungern wird er nicht.

Will er raus - muß er Dich anschauen, bevor Du die Tür aufmachst. — Das kann man sehr leicht erreichen, indem man sich blöd stellt. Irgendwann wird der Hund genervt aufschauen: 'Na, was ist, Alte, machste die Tür jetzt auf??' Genauso mit Leckerle - erst Augenkontakt. (Am Anfang ganz kurz, dann sukzessive etwas länger). Dito mit Bällen oder sonstigem Spielzeug.

Wird er von der Leine gelassen, darf er nicht gleich lospreschen. Erst muß er mit den Augen fragen: 'Darf ich?' Er darf auch ruhig vor Dir aus der Tür - er ist halt schneller - aber zuerst muß er fragen. Du kannst ruhig helfen und mit ihm reden, aber nicht bitteln und betteln. Guckt er nicht hoch - wartest Du. DU hast Zeit!! Warte!! Nicht immer gleich versuchen, das Verhalten des Hundes zu manipulieren. Warte, wenn irgend möglich, bis Yiko das richtige Verhalten selbst findet. (Natürlich schaffst Du die Voraussetzung für das Finden des erwünschten Verhaltens). Der Hund wird mit Verhalten experimentieren, an der Tür kratzen, bellen, usw. Irgendwann mal wird er hochgucken. DANN lobst Du und machst die Tür auf. Impulskontrolle. Zuerst mal darf so ein Hund wie Yiko nicht rechts oder links gucken ohne Erlaubnis. Dazu gehört Konsequenz und Geduld. (Geduld ist hier rein zeitlich gemeint. Ich meine nicht "duldsam!") Später kann man die Zügel wieder lockerer lassen. Um Erlaubnis fragt er mit den Augen, nicht, indem er Euch piesackt.

Du und Dein Mann müßt das Tor werden, durch das er gehen muß, um etwas Angenehmes auf der andern Seite zu finden. Niemand darf dem Hund mehr den Arsch nachtragen. Und jede Interaktion muß letztendlich zum Dialog zwischen Euch und dem Hund werden.. Ist schon ok., wenn der Hund manchmal denkt, Ihr seid schwer von Begriff. Dann muss er sich eben anstrengen, um Euch (auf konditionierte Weise) klar zu machen, was er will! :tea: Ein Akt der Tyrannei seinerseits führt eben nicht zum Erfolg. Da kann er lange warten!! Ein bißchen Demut tut Yiko ganz gut! Beginnt der Hund den Dialog mit den Augen, darf man das nicht ignorieren, sonst löscht sich das Verhalten selbst aus. Ich rede auch nicht mit jemand, der fast nie antwortet. Augenkontakt ist zu belobigen

Ok. Nerven. Ist eigenlich eine blöde und unwissenschaftliche Kategorisierung. Alle guten Hundeleute wissen, was gemeint ist, aber es ist schwer zu beschreiben und zeigt sich auch nicht für alle Hunde gleich. Nervlich angekratzt ist, wenn ...:ka:

Natürlich befinden sich "nervig" und "reaktiv" auf einem Kontinuum. In der Geheimsprache der Hundekenner finden sich im "linken" Extrem die Hunde, die leicht in Panik geraten. Aber auch stark angst- und/oder wehrmotivierte Hunde sind nervlich labil. "Linkslastig." Rolleyes (Wehraggression ist einfach nur die Kehrseite der Angst). Hunde, die im Auto kotzen, sind oft nervlich labil. (Die meisten kommen darüber hinweg). Hunde, die leicht aus dem seelischen Gleichgewicht geworfen werden. Hunde, die zum Beißen neigen, sind definitiv nervlich angekratzt. Ein seelisch ausgeglichener ("starker") Hund wird zuallererst seinen Körper einsetzen und nur als allerletzte Möglichkeit beißen. Ist ja nicht anders bei Menschen: Wenn man mit sich selbst ok ist, braucht man nicht gleich draufzuhauen oder sonstwie auszurasten. Ganz am "rechten" Extrem sind die Kartoffeln.

Uff. Das ist alles ein bißchen wirr und langatmig geworden. Aber Du steigst durch, gell?

Vera











Hier ist ein Dialog. (Bei dem das 'Sich-Blödstellen' sehr gut zur Geltung kommt.)

http://www.youtube.com/watch?v=4CZgCe3md...e=youtu.be

Gleiches Streben schafft Freunde. (Demokrit).

Mißtraut allen, in welchen der Trieb, zu strafen, mächtig ist. (Nietzsche)
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